Ass. Iur. Simone Emmert, LL.M.Eur., Dozentin für Recht, Fachbereich Christliches Sozialwesen, Theologische Hochschule Friedensau


Ansprache: Musicians for tolerance, 18.03. und 01.04.2017


Liebe Studierende,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte Frau Gombe, Sehr geehrter Herr Gallert,
Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im Namen der Theologischen Hochschule Friedensau begrüße ich Sie als Dozentin für Recht sehr herzlich auf unserem Campus zu der heutigen Benefizveranstaltung ‚Musicians for tolerance‘. Benefiz heißt, dass die Künstler und Künstlerinnen auf ihre Gage verzichten und der Erlös der Veranstaltung an den Magdeburger Verein ‚Toleranz lernen und leben e.V.‘ gespendet wird.

Musik und Toleranz sind zwei Begriffe, die sich auch sehr gut mit unserer Theologischen Hochschule verbinden lassen. Was Toleranz bedeutet, hat die UNESCO im Jahr 1995 in ihrer Erklärung zu den Prinzipien von Toleranz in 6 Artikeln erläutert.1

Nach dem ersten Artikel dieser Erklärung bedeutet Toleranz Respekt, Akzeptanz und Anerkennung der Kulturen unserer Welt, unserer Ausdrucksformen und Gestaltungsweisen unseres Menschseins in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt. Gefördert wird sie durch Wissen, Offenheit,  Kommunikation und durch Freiheit des Denkens, der Gewissensentscheidung und des Glaubens.

Toleranz ist Harmonie über Unterschiede hinweg. Sie ist nicht nur moralische Verpflichtung, sondern auch eine politische und rechtliche Notwendigkeit. Toleranz ist darüber hinaus eine Tugend, die den Frieden ermöglicht, und trägt dazu bei, den Kult des Krieges durch eine Kultur des Friedens zu überwinden.

Toleranz ist dabei nicht gleichbedeutend mit Nachgeben, Herablassung oder Nachsicht. Toleranz ist vor allem eine aktive Einstellung, die sich stützt auf die Anerkennung der allgemeingültigen Menschenrechte und Grundfreiheiten anderer. Keinesfalls darf sie dazu mißbraucht werden, irgendwelche Einschränkungen dieser Grundwerte zu rechtfertigen. Toleranz muß geübt werden von einzelnen, von Gruppen und auch von Staaten.

Toleranz ist der Schlußstein, der die Menschenrechte, den Pluralismus (auch den kulturellen Pluralismus), die Demokratie und den  Rechtsstaat zusammenhält. Sie weist damit jeglichen Dogmatismus, Absolutismus und ideologische menschenverachtende Hetze zurück und bekräftigt die in den internationalen Menschenrechtsdokumenten formulierten Normen.

In Übereinstimmung mit der Achtung der Menschenrechte bedeutet  praktizierte Toleranz weder das Tolerieren sozialen Unrechts noch die Aufgabe oder Schwächung der eigenen Überzeugungen. Sie bedeutet vielmehr für jeden einzelnen die Freiheit der Wahl seiner Überzeugungen, aber gleichzeitig auch die Anerkennung der gleichen Wahlfreiheit für die anderen. Toleranz bedeutet die Anerkennung der Tatsache, daß alle Menschen, natürlich mit allen Unterschieden ihrer Erscheinungsform, Situation, Sprache, Verhaltensweisen und Werten, das Recht haben, in Frieden zu leben und so zu bleiben, wie sie sind. Dazu gehört auch, daß die eigenen Ansichten anderen nicht aufgezwungen werden dürfen. In Artikel 4 dieser Erklärung geht es ferner um den Aspekt von Bildung und Erziehung.

Bildung wird als das wirksamste Mittel gegen Intoleranz angesehen. Der erste Schritt bei der Vermittlung von Toleranz ist die Unterrichtung des einzelnen Menschen über seine Rechte und Freiheiten und die damit verbundenen Ansprüche sowie die Herausbildung des Willens zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Menschen. Die Vermittlung von Rechten und Freiheiten erfolgt in allen Studiengängen unserer Hochschule, nicht nur im Rahmen der Rechtsvorlesungen, sondern auch durch andere Lehrveranstaltungen und Projekte.

Erziehung zur Toleranz gehört zu den vordringlichsten Bildungszielen. Deshalb werden an unserer Hochschule zum Thema Toleranz systematische und rationale Lehrmethoden verwendet, die aufklären über die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Wurzeln von Intoleranz – und damit über die tieferen Ursachen von Gewalt und Ausgrenzung.

Erziehung zur Toleranz soll sich bemühen, das Entstehen von Angst vor anderen und der damit verbundenen Ausgrenzungstendenz zu verhindern. Sie soll jungen Menschen bei der Ausbildung ihrer Fähigkeit zur unabhängigen Wertung, zum kritischen Denken und zur moralischen Urteilskraft helfen. Ziel unserer Lehre ist die Ausbildung solidarisch und verantwortlich denkender Bürger und Bürgerinnen, die offen sind für andere Kulturen, die den Wert der Freiheit schätzen, die die Menschenwürde ebenso wie zwischenmenschliche Unterschiede achten und die in der Lage sind, Konflikte zu vermeiden oder sie gewaltfrei zu lösen.

Auf unserem Campus studieren, leben und arbeiten über 200 Studierende aus über 34 Nationen und neben Deutsch ist Englisch die zweite offizielle Sprache hier in Friedensau. Die Theologische Hochschule Friedensau zeichnet sich durch gelebte Toleranz und Akzeptanz der Vielfalt aus, was sich am harmonischen interkulturellen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprachen, Alter, Nationalitäten oder Geschlecht beobachten lässt.

Neben Toleranz spielt auch die Musik eine große Rolle auf unserem Campus. So gibt es ein eigenes Institut für Kirchenmusik, wir haben mehrere Chöre und es wird Musikunterricht für unterschiedliche Instrumente und Gesang angeboten. Musik ist meiner Meinung nach ein ideales Mittel, das im Bildungsbereich eingesetzt werden kann, um Toleranz zu schaffen. Musik ist alters- und geschlechtslos, Musik kennt keine Hautfarbe und keine Behinderung.

Musik schafft eine eigene Art von Kommunikation durch Melodie, Rhythmus und Klang. Menschen können sich so über Noten und ihre Instrumente verständigen und Grenzen überwinden. Ein herausragendes Beispiel ist das West-Eastern Divan Orchester unter der Leitung von Daniel Barenboim dessen Ramallah-Konzert weltweit bekannt ist als Versöhnungsprojekt zwischen Israel und Palästina.

In diesem Orchester spielen junge Musiker und Musikerinnen aus dem Nahen und Mittleren Osten, einschließlich Israel und setzen ein Zeichen dafür, dass Musik heilen sowie Verständnis und Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen wecken kann. Einen solchen Beitrag will auch unser Konzert heute Abend leisten, Menschen zu verbinden, Grenzen zu überwinden und gemeinsames Erleben zu schaffen. Ich heiße Euch und Sie daher ganz herzlich willkommen und wünsche uns allen einen schönen Abend !

1Die Erklärung von Prinzipien der Toleranz wurde auf der 28. Generalkonferenz (Paris,Oktober bis 16. November 1995) von den Mitgliedstaaten der UNESCO verabschiedet; http://www.unesco.de/infothek/dokumente/unesco-erklaerungen/erklaerung-toleranz.html

(18.03.2017).